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Autonomes Fahren: Rechtliche Aspekte bei Videoaufzeichnungen

Dr. Andreas Eustacchio, LL.M. (London LSE)
Associate Legal Partner
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In Österreich können Automobilhersteller bzw. Testbetreiber auf vorgesehenen Teststrecken automatisierte Fahrzeuge nach erfolgter Einholung einer entsprechenden Bescheinigung des Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) im Echtbetrieb testen.

Gesetzeslage & Testregionen in Österreich

Dazu gibt es eine Reihe von Testregionen: „Alp.Lab“ in der Steiermark mit dem Fokus auf Sicherheit von PKWs, „DigiTrans“ in Oberösterreich mit Schwerpunkt Logistik und Leitprojekte wie „Digibus Austria“ für Minibusse in Salzburg und „Connecting Austria“ für LKW Konvois in Wien. In Kärnten entstand letztes Jahr „5G Playground Carinthia“ für den Test des nächsten Mobilfunkstandards 5G, nur um einige zu nennen.

Wenn es um die Sicherheit von Fahrzeugen geht, kann beispielsweise auf den Strecken von Alp.Lab das Fahrverhalten von Fahrzeugen mit der in ihr verbauten Technologie (ADAS=Advanced Driver Assistance Systems) in bestimmten Verkehrssituationen sowie unter besonderen Witterungsbedingungen getestet werden.

Dazu gehört etwa die Reaktion des Fahrzeuges bei unterschiedlichen Kurvenradien auf Autobahnen, auf Bergstraßen, in Tunnels, bei Mautstationen, oder unter besonderen Witterungsbedingungen, z.B. Schnee, Regen oder tiefstehende Sonne.

AutomatFahrV – Die Verordnung über Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren (19.12.2016)

Jenen Testbetreibern, die Tests aufgrund der ihnen vom BMVIT ausgestellten Bescheinigung durchführen, wird dabei umfassende Test-Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Dafür sind diese nach der AutomatFahrV (Verordnung über Rahmenbedingungen für automatisiertes Fahren vom 19.12.2016) verpflichtet, im Fahrzeug verbaute Unfalldatenspeicher bzw. Datenaufzeichnungsgeräte während der Testfahren zu verwenden. Diese dürfen lediglich Daten aus den elektronischen Steuergeräten aufzeichnen, die der Rekonstruktion von kritischen Situationen und Unfällen dienen.

Die so generierten Daten sind wiederum dem (BMVIT) zur Verfügung zu stellen.

Daneben stellt sich die Frage, ob und inwieweit es rechtmäßig ist, wenn Fahrzeuge zusätzlich auch noch das zu testende Fahrverhalten des Fahrzeuges und/oder das Verhalten der Testfahrer im Inneren des Fahrzeuges und/oder die Fahrzeug-Umgebung über eine Videokamera und/oder en Audiogerät aufzeichnen.

Dense LiDAR Point Cloud and Image Data: A2 between Graz West and Graz Airport

Aufzeichnung – Ja oder Nein?

Die AutomatFahrV sieht vor, dass dann, wenn über die Videoaufzeichnung Personen identifizierbar sind und damit personenbezogene Daten verarbeitet werden, dafür eine Bewilligung der Datenschutzbehörde (DSB) einzuholen ist. Erst wenn diese vorliegt, kann mit den Videoaufzeichnungen gestartet werden. Videoaufzeichnungen entbinden den Testbetreiber jedoch nicht von seiner Pflicht, auch die oben genannten Daten mit dem Datenaufzeichnungsgerät aufzuzeichnen.

Die aufgezeichneten Videodaten müssen jedenfalls die Kennzeichen von erfassten Fahrzeugen sowie die abgebildeten Personen unkenntlich machen.

Die AutomatFahrV sieht jedoch vor, dass die Unkenntlichmachung nicht erforderlich ist, wenn dies dem Testzweck zuwiderlaufen würde. Daneben dürfen die Aufzeichnungen nur intern von der Testorganisation verwendet werden.

Die Verordnung regelt nur Testfahrten auf Straßen mit öffentlichem Verkehr, weshalb es bei Tests auf einem Privatgelände auch keine Verpflichtung zur Aufzeichnung von Daten durch ein entsprechendes Datenaufzeichnungsgerät gibt. Für derartige Testfahrten ist auch keine Bescheinigung durch das BMVIT einzuholen. Allerdings ist bei Testfahrten, egal ob öffentlich oder privat, aus datenschutzrechtlichen Gründen die Zustimmung des Testfahrers/der Testfahrerin zur Videoaufzeichnung einzuholen, wenn diese identifizierbar sind.

Im Anwendungsbereich der AutomatFahrV muss dem Antrag zum Testen von automatisierten Fahrzeugen (also auf Straßen mit öffentlichem Verkehr) jedenfalls auch die schriftlich erteilte Zustimmung des Testfahrers/der Testfahrerin beigelegt sein.

Filmmaterial von Dashcams

Was passiert jedoch, wenn bei Testfahrten Menschen (also natürliche Personen), die sich außerhalb des Fahrzeuges befinden, mit einer sogenannten Dashcam gefilmt werden? Nehmen wir an, eine derartige Person wäre für einen Unfall am Testfahrzeug und an deren Insassen ursächlich. Die Verwendung dieser Aufnahmen zur Identifizierung, strafrechtlichen Verfolgung und/oder Durchsetzung bzw. Abwehr von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen gegenüber dieser Person sieht die AutomatFahrV nicht ausdrücklich vor.

Die eben geschilderte Art der Verwendung würde somit dem Normzweck der Verordnung widersprechen, bei der es ja darum geht, Erkenntnisse und Schlüsse aus den Testszenarien zu ziehen.

Außerhalb des Anwendungsbereiches von Testfahrten hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bereits im September 2016 entschieden, dass Videoaufzeichnungen aus dem Fahrzeug aus mit einer sogenannten „Dashcam“ gegen das (damals in Geltung stehende) Datenschutzgesetz (DSG 2000 alt) verstoßen.

Als Beispiel: Ein Autofahrer wollte „zur Beweissicherung bei Verkehrsunfällen“ ein System verwenden, bei dem Kameras im Auto die Bereiche vor und hinter dem Fahrzeug durchgehend verschlüsselt aufzeichnen, die Aufnahmen aber regelmäßig nach 60 Sekunden wieder überschrieben werden. Nur bei starker Erschütterung (bei einem Verkehrsunfall) oder nach dem Drücken eines „SOS“-Knopfes sollten die aufgezeichneten Bilder für einen Zeitraum von max. 90 Sekunden leserlich gespeichert bleiben. Der VwGH verneinte die Zulässigkeit der Registrierung dieser Datenanwendung, weil die Überwachung nur unter Anwendung der gelindesten zur Verfügung stehenden Mittel zulässig und damit verhältnismäßig wäre. Weil aber die dauerhafte Speicherung von Bilddaten jederzeit durch das Drücken des „SOS“-Knopfes möglich sein sollte, verneinte der VwGH die vom Gesetz geforderte Verhältnismäßigkeit.

Wer entgegen diesem Verbot „Dashcams“ in Österreich verwendet, kann mit einer Geldstrafe sanktioniert werden. Würde aber eine derartige „Dashcam“ ohne den vom VwGH inkriminierten „SOS-Knopf“ auskommen, ist zu vermuten, dass die Datenschutzbehörde (DSB) die Verwendung bei entsprechendem Antrag zulässt.

Trotz des verwaltungsrechtlichen Verbots können widerrechtlich erlangte Videoaufzeichnungen als Beweismittel in einem Verfahren vor einem staatlichen österreichischen Gericht zur Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen aber stets vorgelegt werden. Es liegt dann an dem oder der zuständigen Richter(in), ob derart illegal erstellte Videos als Beweismittel zugelassen werden und der jeweiligen Gerichtsentscheidung zugrunde gelegt werden. Es gibt in der österreichischen Rechtsordnung nämlich kein gesetzliches Beweisverwertungsverbot, auch nicht für unrechtmäßig erlangte Beweise.

In Deutschland gibt es keine derartige gesetzliche Regelung. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied erst kürzlich (15.05.2018), dass selbst eine permanente, anlasslose Aufzeichnung einer Dashcam trotz Verstoßes gegen das Datenschutzrecht im Zivilprozess als Beweismittel verwertbar sein kann, wobei auch hier stets eine Interessenabwägung im Einzelfall vorzunehmen ist.

 

Zum Abschluss zur Beruhigung

Wer Videos für familiäre oder persönliche Zwecke anfertigt, und für seine (Reise)-erinnerungen die an seinem Auto vorbeiziehende Landschaft filmt, unterliegt jedenfalls nicht dem Datenschutzrecht, selbst wenn er dabei zufällig einen Unfall dokumentiert.

Über Dr. Andreas Eustacchio LL.M. (London LSE):
  • Associate Legal Partner des ‘VIRTUAL VEHICLE’ Research Centre for Autonomous Driving in Graz
  • Rechtsanwalt, Hon.Prof.(FH), geboren in Zambia; Partner bei EUSTACCHIO Rechtsanwälte, Wien; berät und begleitet global tätige Unternehmen und OEM’s bei der rechtlichen Umsetzung von Automatisierungs- und Digitalisierungsprozessen;
  • Autor und Lektor an mehreren österreichischen Universitäten und Gastprofessor auf den Universitäten Hanoi (Vietnam) und Sanya (China); Cavaliere (Verdienstorden, verliehen durch den Staatspräsidenten der Republik Italien